Sonntag, 26. Oktober 2008
Ein bisschen peinlich
Die Redakteure in Zeitungen und Funkhäusern haben vermutlich einen Ordner in der Schublade, in dem sie "Experten" für alles und jedes sammeln. So stelle ich mir das jedenfalls vor. Außerdem schreiben sie gerne voneinander ab.

Irgendwann sind wir auch in einen solchen Ordner geraten. Und sind von einer Zeitung zur nächsten und von einem Fernsehsender zum nächsten weitergereicht worden. Als Sachverständige für Kriegsflüchtlinge, als Pilz- und Apfelexperten und als Umweltfuzzies haben wir häufig Interviews zu geben. Unsere Erfahrung als "Alt-68er" wurde abgefragt und gerade lief in zwei Sendern ein Statement darüber, wie weit uns die Finanzkrise am A...vorbei geht, da der Holzwurm und ich ja so sagenhaft selbstversorgerisch tätig sind.

Vermutlich fallen wir wirklich etwas aus dem Rahmen mit unseren diversen praktischen Fähigkeiten und alternativen Möglichkeiten.

Grundsätzlich und bei allen Beiträgen purzeln allerdings unsere selbstkritischen Anmerkungen einfach unter den Tisch. Alle Redakteure und -innen haben uns und unser Haus offensichtlich innig in ihre Herzen geschlossen und uns auf den Typ "originelle Gutmenschen" abonniert.

Aber vielleicht sind wir ja wirklich so toll, wie man uns schildert...? Muss ich mal ernsthaft drüber nachdenken.

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Montag, 29. September 2008
Pflanzenbörse
Seit ich Vorsitzende des BUND hier bin -seit 1989 - findet hier zweimal im Jahr (Ende April und Ende September) eine Pflanzenbörse statt.

Zwischen 50 und 80 Leuten nehmen jedesmal teil - viel für unseren kleinen Ort.

Wie geht das?

Nette Menschen mit zu vollen Gärten geben uns Pflanzen ab und freuen sich, dass ihre Blumen oder Kräuter nicht auf dem Kompost landen.
Und andere Menschen, die noch Platz in ihrem Garten haben, schauen nach, ob etwas für sie dabei ist und nehmen es mit.

Alles ist kostenlos.

Wir vom BUND sichten und bestimmen die gebrachten Pflanzen und geben den Interessenten Hinweise darauf, wie groß die Pflanzen werden, welchen Standort sie brauchen, ob sie besondere Eigenschaften haben und wie sie gepflegt werden wollen. Wir geben Tipps, z.B. zu ökologischem Pflanzenschutz, zur Vermehrung der Pflanzen oder zur Verwendung von Pflanzen in der Küche.

Was braucht man für eine Pflanzenbörse?

-3 bis 5 gartenkundige Freiwillige und einen Computerbesitzer, der eine gute Pressemeldung und Ankündigungszettel zum Aushängen in den wichtigsten Geschäften verfasst.

-Zwei alte Tapeziertische (z.B. vom Sperrmüll)
-Abdeckplanen als Tischdecken (bei uns sind es alte Duschvorhänge)
-Gartenschere, Schäufelchen, ein scharfes Messer zum Zerteilen von Stauden
- Schaufel und Besen und einen Eimer für Erd- und Pflanzenreste
- Zeitungspapier und Plastiktüten, weil viele Besucher versäumen, sich ein Gefäß mit zu bringen.
- Eine Spendenbüchse für Besucher, die ganz viel Pflanzen mitnehmen und nicht glauben können, dass es auf der Welt auch mal was gratis gibt. Kommt aber unserer Arbeit beim BUND zugute.

So gewinnen alle.

Da nichts auf der Welt folgenlos bleibt, habe ich heute begonnen, meinen Garten umzugestalten.
Weil ich mir auf der Pflanzenbörse heute morgen einige schöne neue Pflanzen mitgenommen habe...

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Donnerstag, 5. Juni 2008
Tschüß, Alida!
Nach gut zwei Monaten ist unsere bosnische Pflegetochter Alida wieder nach Hause zurück gekehrt.

Se hat viel erlebt. Ein Praktikum bei der Hessischen Landesbank in Frankfurt.

Als sie kam, stand unser Nussbaum noch blattlos in einem winterlichen Garten, an Ostern lag Schnee. Nun ist es sommerlich warm und der Nussbaum trägt seine dichtbelaubte Krone.

Komisch, wie schnell man sich an so eine Art Wohngemeinschaft gewöhnt!
Nun wird sie uns fehlen, diese junge Frau, die im Business-Anzug ihre 27 Jahre selbstbewusst demonstrierte. Und die im legeren Freizeit-Dress noch so aussah wie vor zehn Jahren.

Es ist doch so spannend wie bei den eigenen Kinder: Was wird wohl aus ihr werden?
Eine Prüfung fehlt noch zum Wirtschafts-Diplom. Danach wird sich Alida sicher bei einer Bank in Bosnien bewerben.

Wir haben viele gute Gespräche führen können, und wie sie sagte, nimmt sie viele Anregungen mit nach Hause.

Gestern habe ich sie mit fünf Gepäckstücken ( sie kam mit zwei) zum Bus gebracht - Kleidungsstücke, Schmuck und Geschenke werden ihre Adressaten finden.

Wir werden uns wiedersehen. Hier oder in Bosnien.

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Mittwoch, 14. Mai 2008
Baggerzähne
Unser Ort bekommt eine neue Mitte.

In den letzten Tagen waren hier die Bagger im Groß-Einsatz. Das sind wunderbare Männerspielzeuge.





Endlich wurde die hässliche Flachdach-Einkaufsbaracke aus den 60er Jahren abgerissen. Aber auch eines der letzten winzigen alten Häuser aus dem 18. Jahrhundert -früher das Heim einer Großfamilie - muss weichen, und dazu etliche alte Scheunen.



Ach ja. Ein häßlich-rührendes Stück Ortsgeschichte verschwindet.

Und was kommt? Ein neues Rathaus beispielsweise, denn das alte ist viel zu klein und die zusätzlichen Gebäude zu weit davon entfernt.
Und Wohnungen, Läden, vielleicht ein Hotel, ein Eiscafe und ein Platz, auf dem man sich begegnen kann. Das muss alles nur mit Leben gefüllt werden.

Jetzt kann man bei Bedarf den Baufortschritt bewundern, denn auch hier in der Provinz werden Webcams eingesetzt. Auch unser historisches Rathaus wird ständig beäugt.

Wenn gewünscht, kann ich auf Verabredung dort auch mal winken!

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Donnerstag, 10. April 2008
68er
Ein Redakteur einer der Frankfurter Zeitungen -ein echter Jahrgang 68 - saß heute bei uns und fragte uns aus.
Wie war das vor 40 Jahren, als wir im Taunus den Verein "Sozialpädagogische Praxis" gegründet haben, aus dem ein repressionsarmer "antiautoritärer" Kinderladen entsprang? Was hat uns bewegt? Was wurde aus den Kindern, was haben die Eltern dadurch gelernt und was hatte das mit der politischen Bewegung der damaligen Zeit zu tun?

Gar nicht so einfach, über so lange zurück liegende Zeiten zu reflektieren und einem Zeitungsmann im Alter unserer Kinder zu beschreiben, wie die allgemeine Lebenssituation war.

Den Kalten Krieg, den "Muff unter den Talaren", die bürgerliche Spießigkeit, die kollektive Verdrängung der Nazivergangenheit, die Überbewertung von Sekundärtugenden wie Ordnung, Sauberkeit und Wohlanständigkeit, das Obrigkeitsdenken und noch mehr, das gab es ja alles.
Ein nackter Busen auf einem Titelblatt - unmöglich. Schwanger? Man musste sofort heiraten, um diese Schande zu legalisieren. Unverheiratet zusammenleben? Da gab es doch noch einen Kuppelei-Paragrafen....Frauen durften nur mit Einwilligung ihres Ehemannes berufstätig sein. Kindergärten waren Mangelware.....

Wir machten uns auf den Weg durch die Instituationen. Wir wollten frischen Wind und bliesen ihn uns selber. Wir und unsere Freunde waren politisch und gesellschaftlich engagiert und sind es bis heute geblieben. Wir nutzten die Chancen, mehr Demokratie zu wagen, wie Willi Brandt es uns vorgeschlagen hatte.
Nichts ist auf der Welt folgenlos. Als junge Frau habe ich sicher in einer Weise von diesen Jahren profitiert, wie es sich heutige junge Frauen nicht mehr vorstellen können.

Und was ist aus unseren Kindern geworden?
Fragen Sie Frau Stella und ihren Bruder......


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Mittwoch, 26. März 2008
Unsere bosnische Pflegetochter
Mehr als zehn Jahre hatten wir Alida nicht gesehen.

1997 war sie mit ihren Eltern wieder nach Bosnien zurückgekehrt. Fünf Jahre zuvor hatte der Krieg sie mit ihren Eltern aus Banja Luka vertrieben zu Verwandten in Kroatien. Aber als auch dort gekämpft wurde, griff die Familie nach dem Strohhalm, den ihr die Initiative "Den Krieg überleben" bot und kam nach Deutschland.

Knapp vier Jahre war Familie K. bei uns zu Gast und lebte mit uns.

Suada, die Mutter, etwas jünger als ich, wurde mir in dieser Zeit lieb wie eine Schwester.

Alida, damals 12, übernahm dank ihrer Englischkenntnisse eine Dolmetscherfunktion.

Vater Mustafa, 15 Jahre älter als seine Frau, hatte es am schwersten. Er konnte die Flucht am wenigsten überwinden, die deutsche Sprache widerstand ihm und er, der Schulleiter gewesen war, litt unter der erzwungenen Untätigkeit.

Als sie uns als 17jährige verließ, sprach Alida ein akzentfreies Deutsch, und auch ihre Mutter hatte die Sprache sehr gut gelernt.
Das Band zwischen uns riss nie ab.

Und nun ist Alida wieder hier bei uns, für drei Monate Praktikum in einer großen Bank, denn inzwischen hat sie ein Wirtschaftsstudium absolviert.

Heute war der erste Tag. Wir sind alle gespannt auf die Erfahrungen, die sie hier sammeln wird.

Und mir kommt es vor, als sei sie nie fort gewesen - so vertraut ist sie mir.

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Samstag, 15. März 2008
Zum Abschied


Meine letzte Gemeindevertretersitzung war heute.
22 Jahre Kommunalpolitik habe ich auf dem Buckel.

Jetzt sind mal Jüngere dran.

Und es gibt auch ein Leben außerhalb der Politik -
habe ich gehört.....!
Bloß: Die freie Zeit ist auch schon wieder verplant.

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Samstag, 8. März 2008
"Willy wählen"
Die meisten Kleinbloggersdorfer sind ja viel zu jung, als dass sie diese Zeit bewusst miterlebt hätten.
Aber ich bin so eine alte Tante, dass ich tatsächlich dieser Willy-Partei Espede seit 1973 angehöre.

Ja klar, gelegentlich hatte ich die Anwandlung, das kleine rote Buch zurück zu geben. In jeder Partei gibt es ja sone und solche, Schwätzer und Großmäuler. Aber auch Ernsthafte, Zielbewusste, Soziale. Menschen, die selbst so handeln, wie sie es von anderen erwarten.

Und wenn ich mal wieder fertig mit der Partei ( in Gestalt mancher Genossen) war, dann tröstete mich eine meiner Lieblingsgenossinnen immer wieder mit der Feststellung:"Behinderte Kinder lässt man auch nicht alleine...."

Heute, nach der Jahreshauptversammlung in unserem Ortsverein und der Diskussion über das Politdrama in Wiesbaden hätte schon mal wieder einen tröstenden Spruch dringend nötig.

Ein so engagierter Wahlkampf, ein so großer Gewinn für Andrea Ypsilanti, eine so heftige Ohrfeige für Roland Koch......
......und keine Chance, die Forderungen aus dem hessischen Wahlprogramm der SPD in einer Regierung umzusetzen.
Keine neue Bildungspolitik. Keine soziale Gerechtigkeit. Keine neue Energiepolitik ohne Atomenergie.

Nicht etwa die böse Linkspartei, sondern ausgerechnet eine Frau aus der eigenen Fraktion will nicht mitziehen. Ich fasse es nicht.

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Montag, 3. März 2008
Ein Film ist nur ein Film
Die Geschichte der Gustloff in der Dokumentation nach dem Spielfilm aber greift ans Herz.

Wie so oft bleiben nur Trauer und Entsetzen darüber, was Menschen einander antun.

Kriege sind entsetzlich grausam. Und sie machen die Menschen grausam und unmenschlich.

Wie gelingt es bloß immer wieder, ganzen Völkern Kriege als Weg zum Frieden zu verkaufen?

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Dienstag, 26. Februar 2008
Eisige Arche Noah
Seit heute konserviert die Menschheit ihre Pflanzensamen im Permafrostboden von Spitzbergen.
Für alle Fälle. Es könnten ja noch mehr Arten aussterben, beispielsweise durch den Klimawandel.

Jetzt bin ich bloß gespannt, wann die ersten Künstler, Politiker, Nobelpreisträger auch nach einem Plätzchen im Permafrost suchen. Nur für alle Fälle....

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