Sonntag, 24. Februar 2013
Seit 20 Jahren Tafeln in Deutschland
"Almosen-Ökonomie etabliert Armut, anstatt sie abzuschaffen."

Einen bemerkenswerten Artikel fand ich im Feuilleton der Frankfurter Rundschau von diesem Wochenende:
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Funktion der 900 "Tafeln", die es in der Bundesrepublik inzwischen gibt und die 1,5 Mio. Menschen mit Essen versorgen. Das sind 10% der Bedürftigen.

Die Autorin Kathrin Hartmann rechnet mit der kapitalistischen Wachstumslogik ab, mit der Verschwendung in der Konsumgesellschaft, mit Charity, welche nicht die Ursachen von Armut beseitigt, sondern die Folgen von der immer stärker werdenden Kluft zwischen Arm und Reich ein wenig lindert - freiwillig und solange der Vorrat reicht.

Sie berichtet, dass das größte Lob für die Tafeln ausgerechnet von den Wirtschaftorganisationen kommt, die Mindestlöhne und eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze ablehnen, jedoch Leiharbeit und Lohnnebenkostenabsenkung begrüßten.
Die Konzerne, die für die Tafel spendeten, sparten die Entsorgungskosten und verschafften sich ein "nachhaltiges" Image. "Das also können Tafelkunden immerhin bieten: Sie entsorgen den Wohlstandsmüll und en passant das schlechte Gewissen der Konsumgesellschaft."

Hartmann beschreibt, dass laut Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung das private Nettovermögen der Deutschen zwischen 2007 und 2012 um 1,4 Billionen Euro zugenommen habe. "Mehr als die Hälfte dieses Vermögens besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte. Die untere Hälfte der deutschen Haushalte verfügt nur über ein Prozent des gesamten Netto-Vermögens, 15 Millionen Menschen gelten in Deutschland als arm."

"In Deutschland muss niemand hungern - diese Botschaft soll uns beruhigen", schreibt Hartmann.

Ihrem Fazit am Ende der Betrachtung stimme ich voll zu:

"Umverteilung und Gerechtigkeit kann nur politisch und solidarisch erkämpft werden. Doch dazu muss man den Zusammenhang von Armut und Reichtum als genau den Skandal betrachten, der er ist. Solidarität ist nicht, wenn Reiche Arme mit Müll abfüttern. Sondern gemeinsam zum Wohle aller für Gerechtigkeit zu kämpfen."


Von Karin Hartmann ist zuletzt erschienen: "Wir müssen leider draußen bleiben. Die neue Armut in der Konsumgesellschaft" (München 2012)

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Unter dem 24. Februar findet sich die passende Illustration von Plassmann.

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