Samstag, 29. Januar 2011
Vor dem Abschied
Ganz dünn und durchsichtig ist unser Nachbar geworden, er wiegt wohl weniger als 50 Kilo. Und schwach ist er, altersschwach, und wie ein Säugling ans Bett gefesselt. Manchmal liegt er mit offenen Augen da, ist aber schon ganz weit entfernt. Seine Sprache ist sehr undeutlich und sehr schleppend, das Gebiss passt nicht mehr.
Aber ein kleines Gespräch konnten wir heute führen.

-Wie geht es dir?
Bin müde. Mag nichts essen.
- Aber dann wirst du noch viel schwächer. Magst du nicht mehr leben, willst du dich denn davon machen?
Ja, lieber heute als morgen.

83 Jahre alt ist er. Vor zwei Jahren hatte er einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall.

In meiner Erinnerung sehe ich ihn noch ganz anders. Damals, vor 35 Jahren beim Einzug in unser Haus war er der erste, den wir von allen Nachbarn kennen lernten. Und er half uns - genau an meinem 30. Geburtstag - aus einer Notlage, denn in unserem neuen, alten Haus konnten wir das Wasser nicht aufdrehen, weil der Vorbesitzer die Spüle abmontiert, aber den Wasseranschluss nicht mit einem Stopfen verschlossen hatte. Und natürlich war Sonntag...

Unser Nachbar hatte glücklicherweise in seinem Fundus genau das Teil, was wir dringend benötigten.
So waren Tee und Entsorgung gesichert.
Und einen kleinen Blumenstrauß brachte er dann auch noch mit, als er von meinem Geburtstag hörte, den wir dann zwischen allen Umzugskartons feierten.

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