Freitag, 13. August 2010
Hofreitenbefreiungsschlag
Hofreiten heißen hier in der Region die im Dorf gelegenen Bauernhöfe - das Wohnhaus meist giebelständig zur Straße und dahinter über Eck die Scheune mit den Ställen.
Kleine Bauern waren es hier. Nur wenige Kühe, vielleicht zwei bis drei Schweine, Hühner natürlich und vielleicht auch zwei Ziegen - mehr Platz war gar nicht. Zum Haus gehörte eine kleine Remise für den Ackerwagen und die Gerätschaften.
In der Scheune lagerte Heu und Stroh.

In so einem Haus leben wir seit 35 Jahren.

Und vom Stroh der früheren Besitzer, die in ihren jungen Jahren noch eine winzige Landwirtschaft betrieben haben, fand ich gestern noch Reste in den Balkenverstrebungen unserer Scheune.

Ganz oben, auf der obersten Etage, fand in den vergangenen drei Jahrzehnten alles Platz, was uns aufhebenswert erschien. Das, was früher hier auf dem Lande weggeworfen wurde, weil man alles moderner, bequemer und pflegeleichter haben wollte: Alte Holzbetten, bemalte Truhen, Stühle, Tische, Nachtschränke und Reste land- und hauswirtschaftlicher Geräte, die wir zumeist auf dem Sperrmüll gefunden haben, manchmal aber auch von Nachbarn gebracht bekamen, mit dem Hinweis: "Ihr liebt ja dies aal Gelersch."

Vieles von dem Gesammelten fand im Lauf der Jahre in unserem Hause oder bei Freunden und Verwandten Platz, liebevoll aufgearbeitet.
Möbel mit Charakter, Einzelstücke mit Geschichte...

Aber vor wenigen Jahren wurde mir bewusst, dass nun unser Haus komplett ausgestattet ist und kein weiterer Schrank oder Tisch oder Stuhl mehr Platz findet. Und auch unseren Verwandten ging es genau so.
Früher hatte der Holzwurm viel Freude am Restaurieren alter Möbel. Heute steht er viel lieber an der Drechselbank.
So wurde es Zeit, endlich aufzuräumen und zu sortieren: Was lohnt noch einige Stunden Arbeit und was ist in einem zu schlechten Zustand und soll nun doch in einer Müllpresse enden.

Nach Stunden des Sortierens, Sichtens, Zersägens, des mühseligen Schleppens aus dem dritten Scheunenstock in den Hof, schwarz wie Schweinchen vom Staub der Jahrzehnte, konnten wir uns erschöpft, aber hoch zufrieden ein kühles Bier gönnen.

Der Hof ist gefüllt mit Gerümpel, das am kommenden Montag abgeholt wird. Die Scheune ist viel übersichtlicher geworden.

Aber immer noch stehen 42 reparaturbedürftige würdige Stühle - Biedermeier und Thonet vor allem - und etliche Möbelstücke dort oben.
Falls wir uns mal langweilen sollten...

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